Die Regisseurinnen

 

 

 

 

Ebba Sinzinger, Monica Lazurean – Gorgan, Michaela Kirst (von links n. r.)

INTERVIEW MIT DEN REGISSEURINNEN

Ebba Sinzinger, Michaela Kirst, Monica Lăzurean-Gorgan im Gespräch mit Karin Schiefer.
Motiviert durch ihre sehr unterschiedlichen persönlichen Bezüge zum Thema Wald trafen drei Filmemacherinnen und Produzentinnen aus drei Ländern zusammen, um sich gemeinsam mit Undercover-Aktivisten auf ein mehrjähriges investigatives Abenteuer einzulassen.
Sie sind alle drei sowohl als Produzentinnen als auch als Regisseurinnen in Deutschland, Rumänien und Österreich tätig.

Wie ist WOOD zu einem gemeinsamen Projekt geworden?


Ebba Sinzinger: Monica Lăzurean-Gorgan kam mit der Idee auf uns zu, über die inRumänien sehr aktiven österreichischen Holzfirmen einen Film zu drehen. Im Dorf ihrer Eltern war so stark abgeholzt worden, dass ein ganzer Hang abgerutscht war und Häuser begraben hat.
Michaela Kirst: Ich hatte gerade eine TV-Dokumentation über illegales Abholzen abgeschlossen, für die ich mit Alexander von Bismarck zusammengearbeitet habe. Er ist als „Waldspion“ unterwegs und versucht weltweit auf politischer Ebene, in Hinblick auf große Abholzungen Gesetzesänderungen zu bewirken. Er wagt sich dabei immer wieder in
gefährliche Situationen, um sowohl die Herkunft als auch die Destinationen des Holzes herauszufinden. Ich fand immer, dass das viel mehr ein Kino- als ein Fernsehstoff ist.
Monica Lăzurean-Gorgan: Rumänien hatte einen riesigen Waldbestand, der in den vergangenen Jahren massiv, auf geradezu industrielle Weise gefällt worden ist. Angesichts dieser illegalen Abholzungen konnte ich nicht mehr tatenlos zuschauen. Es musste die internationale Aufmerksamkeit geweckt werden, gerade deshalb, weil es für westliche Unternehmen so leicht war, bei uns zu investieren und unsere natürlichen Ressourcen
an sich zu reißen. Viele kleinere rumänische Holzverarbeitungsbetriebe verloren ihre Geschäftsgrundlage, weil sie mit den potenten westlichen Firmen nicht konkurrieren konnten.
Ebba Sinzinger: Für uns aus österreichischer Sicht war es darüber hinaus interessant, dass es mit der Firma Schweighofer einen Unternehmer aus Österreich gibt, der sich an diesen Räubereien beteiligt und bereichert hat. Und es ist nicht die einzige österreichische Firma, die dort gute Geschäfte macht.
Michaela Kirst: Illegale Abholzungen gibt es weltweit. Wenn aber dieser illegale Handel innerhalb der Europäischen Union stattfindet, dann hat das nochmal eine andere Dimension, umso mehr, als es sich in Rumänien um die letzten erhaltenen Urwälder in der gemäßigten Klimazone handelt. Das ist ein ganz spezieller Wald, der nicht einfach wieder aufgeforstet werden kann.


Wie standen Sie in der Entwicklungsphase zum investigativen Ansatz?


Ebba Sinzinger: Die Form des Films ist ganz stark von der Arbeitsweise des Protagonisten bestimmt worden. Man hätte gar nicht anders filmen können.
Michaela Kirst: Das Undercover-Material macht es einerseits schwierig, weil es sich nicht steuern lässt, andererseits entsteht Material, das man sonst nie zu Gesicht bekommen würde. Es transportiert eine ganz starke Botschaft, die zeigt wie unsere Wirtschaft agiert, aber normalerweise ist das nicht sichtbar.
Ebba Sinzinger: Bei einem Drehblock von sieben Tagen konnte es vorkommen, dass ein Drehtag mit ein, zwei Gesprächen beginnt und sich dann erst herausstellt, dass man sich am falschen Ort befindet. Es folgten sieben Stunden Autofahrt ans andere Ende von Rumänien, alle sind müde und ein neuer Dreh muss aufgebaut werden. Es waren sehr lange Drehtage, man konnte ja die Orte nicht vorab abchecken. Man ist immer irgendwie
hinterhergerast. Wir sind unseren Kameraleuten immens dankbar, dass sie da mitgemacht haben.


Haben Sie Drehs an mehreren Orten angesetzt, um herauszufinden, wo sich etwas für den Film Interessantes entwickeln wird?


Ebba Sinzinger: Wir wollten eine Geschichte, die schon eher kurz vor ihrem Abschluss steht; sie zeigen wir zu Beginn mit der Episode, die in Sibirien und China spielt. Wir hatten
dann Rumänien als Kerngeschichte, wo wir über längere Zeit beobachten wollten, und eine, die erst an ihrem Anfang steht; die haben wir mit den Sequenzen aus Peru.
Michaela Kirst: Es kam vor, dass man auf einen ganz bestimmten Telefonanruf warten musste, ohne zu wissen, wann der kommt. Außerdem musste die politische Situation in dem jeweiligen Land so sein, dass wir einigermaßen gesichert drehen konnten. Es war sehr viel Vorsicht, Vertrauen und Fingerspitzengefühl geboten.


Wie lange haben Sie an diesem Projekt gearbeitet?


Ebba Sinzinger: Insgesamt sieben Jahre. Wir mussten ja zunächst Alexander von Bismarck für das Projekt begeistern und davon überzeugen, dass Rumänien der richtige Ort für seine Unternehmungen ist.
Michaela Kirst: In den USA gibt es für NGOs keine staatlichen Gelder, man ist also auf private Investoren angewiesen. Alexanders Auslandsmissionen müssen auf alle Fälle sehr gut begründet sein.


Wie kann man sich bei dieser heiklen Drehsituation die Kameraarbeit vorstellen?


Ebba Sinzinger: Das kam ganz stark auf die Situation an. Das reichte von Drehs in einer Hotellobby, wo man sich ganz breit zeigen konnte. Sobald man in den Wald geht, muss die Kamera etwas kleiner sein, so konnte man immer als Vogelbeobachter durchgehen. Meistens konnten wir als Regisseurinnen auch dabei sein. In der Undercover-Situation
hingegen nicht einmal der Kameramann, abgesehen von Attila Boa, der sogar mit der Fotokamera in der chinesischen Fabrik gedreht hat.
Michaela Kirst: Attila ist eine besonders coole Persönlichkeit. Nicht jeder Kameramann wäre bereit, das zu tun.


Wie sind Sie mit dem Thema Risiko umgegangen?


Michaela Kirst: Wir standen schon in Madagaskar vor dieser Frage, und ich muss sagen, da vertraute ich Alexander von Bismarck. Ich habe bei ihm den Eindruck gewonnen, dass er wusste, wie weit er gehen konnte und wo es besser war, es sein zu lassen. Für uns war er ein Maß.
Monica Lăzurean-Gorgan: In Rumänien stellten die Wälder kein besonders großes Risiko für uns dar. Es ist hier höchst selten der Fall, dass Ausländer in Schwierigkeiten geraten. Gewalt richtet sich meist gegen die eigenen Leute, nicht so sehr gegen Journalisten oder
Forscher. Wissen Sie, was Mihaly, dem älteren Mann, der in unserem Film vorkommt, passiert ist? Kurze nach dem Dreh mit uns wurde er auch von einem Fernsehteam interviewt und einen Monat später wurde er in der Innenstadt von Borṣa krankenhausreif geschlagen. Der Grund war, dass man ihn mit einem TV-Journalisten gesehen hatte.


Sie sind drei Produzentinnen, die in drei verschiedenen europäischen Ländern tätig sind. Wie konnten Sie das Projekt als Team verwirklichen?


Michaela Kirst: Die Art und Weise unserer Zusammenarbeit hing immer davon ab, was in der jeweiligen Situation sinnvoll war. In der Vorbereitungsphase war das wichtigste Instrument Skype. Bei den Dreharbeiten selbst waren wir manchmal alle drei dabei, manchmal
nicht.
Ebba Sinzinger: Es war klar, dass Monica das Gros der Recherche und des Drehs in Rumänien abwickeln würde. Sie war sowohl als Filmemacherin als auch als Aktivistin im Einsatz.
Monica Lăzurean-Gorgan: Ich stürzte mich in die Recherche und unterstützte Alexander in seiner Arbeit, indem ich ihm half, solide Kontakte bei NGOs und Journalisten herzustellen. Wir sind immer noch in Kontakt, wenn er nach Bukarest kommt. Alexander von Bismarcks Organisation hat unglaubliche Arbeit für Rumänien geleistet, indem sie eine klare Strategie verfolgt hat, etwas, worin die rumänischen Aktivisten wenig
Erfahrung hatten. Grundsätzlich haben wir eine Verbesserung der rechtlichen Lage erreicht. In einem zweiten Schritt hängt dann alles von der aktuellen politischen Situation ab, wie sehr etwas umgesetzt wird. Immerhin sind sich viele Aktivisten dieser unberechenbaren
Umstände bewusst. Bogdan, einer der Aktivisten im Film, hat sich dem
aktuellen Umweltminister als Berater angeboten und wurde genommen.


Welche Hoffnungen setzen Sie in den Film, jetzt, wo er fertig ist?


Monica Lăzurean-Gorgan: Debatten. Ein Film kann bestenfalls kleine Veränderungen bewirken. Wenn es Debatten gibt, die Bewusstsein schaffen, haben wir unser Ziel bereits erreicht.
Ebba Sinzinger: Bei diesem Film haben wir allein durch die Dreharbeiten schon viel erreicht. Eine der ersten Konsequenzen war die, dass die Firma Schweighofer ihr „grünes Label“, das FSC Zertifikat, verlor, das weltweit gültig und für „grünes“ Marketing unerlässlich ist. In der Folge kam es aufgrund des Verdachts organisierten Verbrechens zu einer polizeilichen Durchsuchung der Firmengebäude. Jetzt, wo der Film fertig ist, haben
wir ein Produkt zur Verfügung, das Diskussionen auslösen und Aktivisten ermutigen kann, die Hoffnung nicht zu verlieren.